Die Anzahl der insgesamt ausgeschriebenen Stellen ist in Deutschland 2024 um mehr als 15 Prozent zurückgegangen. Auch für 2025 ist kein signifikanter Aufschwung zu erwarten. Doch heißt das nun, dass die Macht auf dem Arbeitsmarkt sich verschoben hat und die rosigen Zeiten des Arbeitnehmermarkts vorbei sind? Das gilt jedoch nicht für alle Berufsgruppen. Es werden beispielsweise deutlich weniger Positionen im Marketing oder im Projektmanagement ausgeschrieben, während im Ingenieurwesen weiterhin viele Stellen offen sind.
Der „War of Talents“ geht also zumindest in diesem Bereich weiter. Vor allem die boomende Rüstungsindustrie bietet Ingenieuren gerade verlockende Aussichten, vor allem in finanzieller Hinsicht. Nicht nur in der schwächelnden Automobilbranche sprechen Personalberater Topleute an mit dem Versprechen deutlicher Gehaltssprünge. Dabei wird sichtbar, dass die Gehälter der angebotenen Stellen sich weniger am wirtschaftlichen Impact orientieren, den Neueingestellte für das Unternehmen leisten können, sondern allein an der Wettbewerbssituation.
Wirtschaftslage sorgt für Wechselbereitschaft
Dieser Entwicklung müssen sich nun auch viele andere Unternehmen stellen, um ausgerechnet in einer betrieblichen Schwächephase nicht wertvolle Mitarbeiter zu verlieren und einen erhöhten Braindrain befürchten zu müssen. Rechtzeitig dagegen zu halten ist für jede Geschäftsleitung dringend geboten. Dem Aspekt Mitarbeiterbindung kommt dabei eine verstärkte Bedeutung zu.
Dabei muss das Gehalt nicht unbedingt so attraktiv sein, wenn dafür die Unternehmenskultur stimmt und Mitarbeitende sich im Betrieb rundum wohlfühlen. Die bessere Entlohnung in einem nur anderen, aber womöglich obstruktiven Umfeld bloß als „Schmerzensgeld“ anzusehen ist auf Dauer für die wenigsten tragbar. Dazu kommt noch die Hürde eines eventuell notwendigen Ortswechsels. Allerdings steht der Wunsch nach finanziellen Benefits und einer positiven Workplace Culture bei den gerade sehr gefragten Millennials mit nur geringem Abstand deutlich an der Spitze der Prioritätenliste, dicht gefolgt von Flexibilitäts- und kontinuierlichen Weiterbildungsangeboten.
Eine konstruktive Unternehmenskultur ist gefragt
Erstes Ziel jeder Unternehmensleitung muss sein, Mitarbeitende möglichst emotional an das Unternehmen zu binden und dass diese sich mit den Werten des Unternehmens identifizieren können. Wege dazu liegen in vielfachen Varianten vor, allen gemein sind die Anforderungen nach einem klaren Unternehmensleitbild, nach einem kooperativen Führungsstil, nach offener und transparenter Kommunikation, nach Einbezug der Mitarbeitenden und nicht zuletzt nach einem toleranten Umgang mit Misserfolgen – der viel zitierten positiven Fehlerkultur.
Fehler werden in jedem Unternehmen gemacht. In erster Linie dort, wo ständig neue Lösungsansätze gesucht werden. Die zwar nicht immer zum Erfolg führen können, aber letztlich der wesentliche Treiber für Innovationen und die Weiterentwicklung eines Unternehmens sind. Gerade oft in Tagesroutinen eingebundene Ingenieure wollen Impulse setzen können, brauchen eine angstfreie Diskussionskultur und damit Gestaltungsmöglichkeiten, um ihre Kompetenzen und Potenziale ausschöpfen und sich darüber mit ihrem Unternehmen identifizieren zu können.
Der Schlüssel zur Senkung der Fluktuationsrate und Steigerung der Loyalität zum Unternehmen liegt vor allem an der Zufriedenheit der aktuellen Mitarbeitenden am Arbeitsplatz. Um die besten Talente langfristig an das Unternehmen zu binden, muss mehr als ein ordentliches Gehalt geboten werden. Ein stimmiges und von Optimismus geprägtes Klima, in dem sich Mitarbeitende wertgeschätzt fühlen, wird kaum für eine mehr oder weniger ungewisse berufliche Perspektive aufgegeben. Auch wenn gerade das Gras auf der anderen Seite der Wiese grüner zu sein scheint.