Neulich hatte eine Vertriebs-Coachin von mir bei einem Kunden eine kleine Diskussion mit einer Mitarbeiterin der Reklamationsabteilung. Trotz Vorgaben vom Arbeitgeber wollte sie die Kamera nicht anmachen beim mobilen Arbeiten. Da müsse sie sich ja richtig anziehen, frisieren und schminken, empörte sie sich. Ich musste zunächst lachen, als meine Kollegin mir diese Szene erzählte. Später nahm ich den Hörer in die Hand und sprach mit dem Vorgesetzten. Denn diese Einstellung führt zu schlechter Reklamationsbearbeitung, was dann auch bestätigt wurde. Ihr Chef konnte sich bis dahin den Grund nicht erklären.
In meiner Beraterpraxis erlebe ich sehr häufig, dass Beschwerden in Unternehmen zunächst als Angriff empfunden werden und daher negative Gefühle hervorrufen. Verstecken hilft da nicht. Meine Haltung dazu: Wer Kundenreklamationen als Feedback versteht, erkennt ihren Wert. Denn der Kunde hat sich entschieden, das Gespräch zu suchen – statt einfach zur Konkurrenz zu wechseln.
Warum diese Haltung entscheidend ist
- Sie öffnet die Tür für ehrliche Gespräche.
- Sie reduziert emotionale Reaktionen.
- Sie stärkt langfristig die Kundenbindung – und damit den Umsatz.
Ich empfehle daher diesen Satz als Mantra:
„Diese Rückmeldung ist ein Geschenk. Sie zeigt mir, wo wir lernen und wachsen können.“
1. Persönlicher Austausch bedeutet: Zuhören statt Verteidigen
Automatisierte Antworten oder Standardmails schaffen Distanz. Echter Kundenkontakt hingegen baut Brücken. Wer Beschwerden persönlich bespricht – telefonisch, per Videocall oder im direkten Gespräch – zeigt Wertschätzung und Ernsthaftigkeit. Das zeigt Kompetenz!
So gelingt ein professionelles Reklamationsgespräch
Do’s:
- Aktiv zuhören, ohne zu unterbrechen.
- Verständnis zeigen, auch wenn der Fehler klein wirkt.
- Gemeinsam Lösungen finden, statt Schuldige zu suchen.
Praxisbeispiele für Formulierungen:
- „Vielen Dank, dass Sie sich direkt an mich wenden. Erzählen Sie bitte, was genau passiert ist.“
- „Ich verstehe, dass das ärgerlich war. Lassen Sie uns gemeinsam eine Lösung finden.“
- „Mir ist wichtig, dass Sie zufrieden sind – was wäre für Sie eine faire Lösung?“
Diese Haltung wirkt verbindend – und oft löst sich schon im Gespräch die größte Spannung.
2. Feedback aktiv einfordern: Mut zur Offenheit
Nur ein Teil der unzufriedenen Kunden äußert sich überhaupt. Viele wechseln einfach den Anbieter. Deshalb ist es ein Zeichen von Professionalität, Feedback aktiv einzuholen – nicht nur bei Reklamationen, sondern auch bei zufriedenen Kunden.
Beispielhafte Gesprächseinstiege:
- „Ich freue mich über jedes Feedback – gerade auch, wenn mal etwas nicht optimal war.“
- „Gibt es etwas, das wir beim nächsten Mal anders oder besser machen könnten?“
- „Was gefällt Ihnen besonders – und wo dürfen wir uns noch steigern?“
So entsteht eine Feedbackkultur, die Vertrauen fördert und frühzeitig Verbesserungspotenzial aufzeigt.
3. Souverän mit Kritik umgehen – statt in Abwehr zu gehen
Kritik ist kein Angriff auf die Person, sondern eine Einladung, genauer hinzusehen.
Ein professioneller Umgang mit Kundenreklamationen zeigt sich besonders dann, wenn Emotionen im Spiel sind.
Praxis-Tipps für souveräne Kommunikation:
- Ruhe bewahren: Erst zuhören, dann reagieren.
- Dankbarkeit zeigen: „Danke, dass Sie das Ansprechen – das hilft uns, besser zu werden.“
- Verantwortung übernehmen: „Da ist uns offenbar ein Fehler passiert. Das tut mir leid – wir kümmern uns sofort darum.“
Diese Reaktionen signalisieren Kompetenz, Selbstsicherheit und Kundenorientierung – die Grundlage jeder erfolgreichen Kundenbeziehung.
4. Aus Feedback lernen: Persönliches und organisatorisches Wachstum
Kundenreklamationen zeigen, wo Prozesse, Kommunikation oder Erwartungen nicht zusammenpassen.
Wer sie ernst nimmt, kann nicht nur Abläufe optimieren, sondern auch persönlich wachsen.
Reflexionsfragen für dich und dein Team:
- Was genau war der Auslöser der Reklamation – und was hätten wir vorbeugend tun können?
- Welche Informationen oder Absprachen waren unklar?
- Welche Haltung oder Gewohnheit möchte ich künftig verändern?
Eine lernorientierte Haltung macht aus Kritik einen echten Entwicklungstreiber – für dich, dein Team und dein Unternehmen.
5. Beschwerden sind Brücken, keine Barrieren
Ein professioneller Umgang mit Kundenreklamationen zeigt sich im persönlichen Dialog, im aktiven Einfordern von Feedback und im souveränen Umgang mit Kritik.
Wer Beschwerden nicht als Belastung, sondern als Beziehungsangebot versteht, schafft Vertrauen, stärkt Kundenzufriedenheit und entwickelt sich selbst weiter.
Kritik ist kein Störfaktor – sie ist der Motor für Vertrauen, Qualität und Wachstum.