Führung in der Krise

In einem im „Harvard Business manager“ bereits 2009 veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Führen in der Dauerkrise“ sind die Autoren damals auf die Auswirkungen der Finanzkrise eingegangen und beschrieben die damit zusammenhängenden Herausforderungen für Führungskräfte. Diese bestanden nach Ansicht der HBM-Autoren im Wesentlichen darin, ihr Unternehmen so aufzustellen, dass es die kommenden Stürme überlebt.

Und dies hat heute noch, angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage, mehr denn je Gültigkeit. Wir zitieren eine zentrale Aussage im Artikel, die auch die jetzige Situation unserer Wirtschaft und vieler Unternehmen treffend beschreibt: „Eine Volkswirtschaft kann sich nicht gegen immer stärkeren globalen Wettbewerb, begrenzte Energieressourcen, den Klimawandel und politische Instabilität schützen.“

Die Autoren verglichen die Situation, in der sich viele Unternehmen damals befanden, mit einem Patienten, der einen Herzinfarkt erlitt und schnell ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Dort hat man „mit bewährten Methoden, weil fürs Ausprobieren und Improvisieren wenig Zeit bleibt“, den Patienten mit einem Stent, der einen erneuten Verschluss der Blutgefäße verhindern soll, stabilisiert und somit den unmittelbaren Notfall überstanden.

 

Krise überlebt! Zukunft gesichert?

Doch die Probleme, die zum Notfall geführt haben, bestehen weiter. Wie kann der Patient einen weiteren Infarkt vermeiden, sich kommenden Unwägbarkeiten und Umstellungen anpassen, damit er gesund bleibt? Die HBM-Autoren dazu: „Ähnlich heikel ist die Aufgabe, ein Unternehmen durch eine lang anhaltende Krise zu führen – egal, ob Sie CEO eines großen Konzerns sind oder eine Führungskraft, die eine kurzfristig anberaumte Initiative leitet.“

Und weiter: „Führung in der Krise ist in zwei verschiedene Phasen unterteilt: Als Erstes kommt die Notfallphase, in der Sie die Situation stabilisieren und Zeit gewinnen müssen. Darauf folgt die Phase der Anpassung; in dieser nehmen Sie sich jene Faktoren vor, die der Krise zugrunde liegen, und entwickeln die Fähigkeit, auch unter den neuen Umständen erfolgreich zu sein.“

 

Anpassungsdruck als Kreativitätsmotor

Dabei war schon 2009 wie auch mit Blick auf die heutige Situation klar: Die alten Mechanismen und Rezepte gelten nicht mehr. Stabilität kann kein vorrangiges Ziel mehr sein, ständige Anpassungsfähigkeit ist gefragt. Hoffen darauf, dass sich alles wieder von alleine regeln wird, ist eine Sackgasse, aus der manche Unternehmen keinen Ausweg mehr finden.

Die HBM-Autoren: „Eine große Gefahr in der aktuellen wirtschaftlichen Lage besteht darin, dass Führungskräfte sich wegducken. Sie versuchen, die Probleme mit kurzfristigen Maßnahmen zu lösen: verstärkte Kontrollen, Kostensenkungen nach der Rasenmähermethode, Restrukturierungspläne. Um Enttäuschungen zu verhindern und ihre eigenen Sorgen und die anderer Leute zu mindern, greifen sie auf das zurück, was sie kennen. Vertraute Methoden sind das Mittel der Wahl, um ihre Unternehmen durch die Krise zu bringen.“

 

Führung 2.0: eine improvisierende und experimentelle Kunst?

Manager, die eine adaptive Führung praktizieren, sehen die Gelegenheit in Zeiten wie diesen, sich von vermeintlich Altbewährtem zu trennen. Sie nutzen die Turbulenzen

der Gegenwart quasi als Energiespender, um ihr Unternehmen neu aufzustellen. Denn Veränderungen in ausgewählten Strängen der Unternehmens-DNA können den entscheidenden Unterschied ausmachen.

Sich von Methoden zu trennen, die offensichtlich nicht mehr zum veränderten Geschäftsumfeld passen, zwischen dem Unentbehrlichen und dem Verzichtbaren zu unterscheiden, ist die Aufgabe. „Was ist so wichtig und zentral für die Identität und Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, dass es beibehalten werden muss? Was muss das Unternehmen hinter sich lassen, um voranzukommen – auch wenn viele es wertschätzen?“

Hier Auszüge aus dem Fazit des MBL-Artikels, deren Inhalte wir auch aus heutiger Sicht als zielführend ansehen:

 

Der Rat für Unternehmen:

„Eine Kombination aus drei Führungsmethoden hilft Ihnen, Ihre Organisation flexibel und unabhängig von Hierarchien zu machen.

  • Gestalten Sie sie so um, dass sie sich schnell an veränderte Märkte anpassen lässt.
  • Akzeptieren Sie Ungleichgewichte, damit Ihre Mitarbeiter offen für Veränderungen bleiben, ohne gleich in Panik zu verfallen.
  • Fördern Sie Führungsstärke, indem Sie Menschen auf allen Hierarchieebenen ermutigen, zu experimentieren und neue Lösungen für ein verändertes Marktumfeld zu finden. Ziel ist es, jeder und jedem das Gefühl zu geben, ihm oder ihr selbst gehöre das Unternehmen.“

 

Der Rat für Individuen:

„Den eigenen Führungsstil zu verändern, erfordert viel Disziplin und eine große Kraftanstrengung.

  • Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht selbst ausbeuten.
  • Finden Sie eine gesunde Balance zwischen Optimismus und Realismus.
  • Suchen Sie sich Rückzugsmöglichkeiten, sprechen Sie mit Vertrauten.
  • Zeigen Sie mehr Gefühle am Arbeitsplatz.
  • Und vor allem: Verlieren Sie sich nicht selbst in Ihrer Rolle.“

 

Ein weiterer Rat des HBM-Autorenteams, den wir voll und ganz unterstreichen können: „Für den Erfolg dieser Maßnahmen ist die Empathie, die Sie dabei zeigen, ebenso ausschlaggebend wie die strategische Entscheidung, welche Teile der Unternehmens-DNA Sie aufgeben. Denn Sie werden die Unterstützung Ihrer Leute brauchen – keine blinde Gefolgschaft auf dem Weg in die Zukunft, sondern wirklich engagierte Hilfe bei der Suche nach diesem Weg. Und wenn die Mitarbeitenden Ihnen helfen sollen, dann müssen Sie sie erst einmal in die Lage versetzen, auch dann gute Leistungen zu zeigen, wenn sie anhaltender Unsicherheit und unübersehbaren Veränderungen ausgesetzt sind.“

Wer seinen individuellen Führungsstil verändern möchte und sich dabei Unterstützung wünscht, kann hier mit uns Kontakt aufnehmen: https://karinbacher-consultants.de/kontakt/

Blogbeitrag Mai 2023