Arbeiten in Umbruchphasen

Die­ses Thema haben laut dem Ma­ga­zin „Ma­na­ger-Se­mi­na­re“ die Wirt­schafts­wis­sen­schaft­le­rin­nen Yaru Chen (Cass Busi­ness School) und Trish Reay (Al­ber­ta Busi­ness School) in einer ge­mein­sa­men Stu­die schon vor zwei Jah­ren un­ter­sucht. Es hat in­zwi­schen kei­nes­falls an Ak­tua­li­tät ver­lo­ren. Im Ge­gen­teil: Die ak­tu­el­le Ar­beits­welt ist mehr denn je ge­prägt von häu­fi­gen Um­brü­chen, von stän­dig er­for­der­li­chen An­pas­sun­gen an tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen sowie an ver­än­der­te Markt- und Wett­be­werbs­si­tua­tio­nen. Und dann kom­men auch noch die ak­tu­el­len The­men dazu: Ge­sund­heits­kri­se durch Co­ro­na, Lie­fer­eng­päs­se, Fach­kräf­te­man­gel und die En­er­gie­kri­se. 

Doch Still­stand ist keine Op­ti­on, son­dern das ex­zel­len­te Ma­na­gen der Am­bi­gui­tät: also Kri­sen­ma­nage­ment und die not­wen­di­gen Maß­nah­men wie die Di­gi­ta­li­sie­rung in Ein­klang brin­gen – um die Wett­be­werbs­fä­hig­keit zu er­hal­ten.

Her­ku­les­auf­ga­be: Füh­ren in Kri­sen­zei­ten

Die dar­aus fol­gen­den Fir­men- oder Ab­tei­lungs-Um­struk­tu­rie­run­gen müs­sen in der Regel über­wie­gend vom be­stehen­den Per­so­nal ge­stemmt wer­den, das sich den neuen An­for­de­run­gen ver­ständ­li­cher­wei­se sel­ten aus dem Stand her­aus ge­wach­sen sieht. Die plötz­li­che Kon­fron­ta­ti­on mit neuen und un­ge­wohn­ten Auf­ga­ben oder die be­ruf­li­che Iden­ti­täts­fin­dung in einer ver­än­der­ten Ar­beits­welt stel­len eine Her­aus­for­de­rung dar, die ein Team oder gar ein gan­zes Un­ter­neh­men schnell an die Be­las­tungs­gren­ze füh­ren kann. Ganz be­son­ders ge­for­dert sind das Ma­nage­ment und die Füh­rungs­kräf­te, denn sie sol­len neben der Kri­sen­be­wäl­ti­gung auch noch die Mit­ar­bei­ten­den mit­neh­men und trotz allem ein mo­ti­vie­ren­des Um­feld schaf­fen, um en­ga­gier­te Leute zu hal­ten. Und ganz ne­ben­bei läuft die Di­gi­ta­li­sie­rung wei­ter, um wett­be­werbs­fä­hig zu blei­ben.
 
Die Au­to­rin­nen der Stu­die fan­den her­aus, dass alle dazu in­ter­view­ten Fach­kräf­te diese vier Pha­sen durch­lie­fen: 

  1. „Wi­der­stand gegen die Ver­än­de­rung und Trau­er über den Ver­lust alter Ar­beit.
  2. Be­wah­rung der bis­he­ri­gen be­ruf­li­chen Iden­ti­tät und Ver­mei­dung der neuen Ar­beit.
  3. Zu­rück­stel­lung der be­ruf­li­chen Iden­ti­tät und Er­ler­nen der neuen Ar­beit.
  4. Wie­der­fin­den und Än­dern der frü­he­ren be­ruf­li­chen Iden­ti­tät und Be­stä­ti­gung der neuen Ar­beit.“

 
Die Band­brei­te der Re­ak­tio­nen der Be­frag­ten reich­te von Un­ver­ständ­nis ge­gen­über den ver­än­der­ten Ar­beits­prak­ti­ken, dem Ge­fühl der Unter- oder Über­for­de­rung bis hin zu Ver­är­ge­rung und blan­ker Ab­leh­nung – alles nicht ge­ra­de för­der­lich für die Ar­beits­mo­ral. Der­ar­ti­ge ver­än­der­te Leis­tungs­vor­ga­ben er­for­dern des­halb von Füh­rungs­kräf­ten ein hohes Maß an Sen­si­bi­li­tät im Um­gang mit den be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ten­den. Ins­be­son­de­re weil nun auch Exis­tenz­ängs­te da­zu­kom­men: Ist mein Ar­beits­platz si­cher? Kann ich meine Miete bald noch zah­len? Ver­lier ich mein Haus?

Seine ei­ge­ne Re­si­li­enz als Füh­rungs­kraft be­wah­ren ist jetzt wich­tig, ver­un­si­cher­te Men­schen brau­chen Ver­läss­lich­keit.

Great Re­si­gna­ti­on – Iden­ti­täts­kri­sen bei Mit­ar­bei­ten­den so ak­tu­ell wie nie

Um Iden­ti­täts­kri­sen der Mit­ar­bei­ten­den (und mög­li­che Kün­di­gun­gen) in sol­chen Um­bruch­pha­sen zu ver­mei­den und das Ein­fin­den in neue be­ruf­li­che Rol­len zu er­leich­tern, ist auf jeden Fall Druck das un­ge­eig­nets­te Mit­tel. Eine rea­lis­ti­sche Zeit­vor­ga­be sowie Er­mu­ti­gung und Un­ter­stüt­zung sind laut Stu­di­en­au­to­rin­nen die Grund­vor­aus­set­zun­gen, dass die Trans­for­ma­ti­on ge­lin­gen kann. 

Leicht ge­sagt – der Druck ist da. Wir sind der Mei­nung, dass Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ver­ant­wort­li­che trotz allem zu­nächst sich selbst in einen guten Zu­stand ver­set­zen müs­sen. Das ge­sam­te Un­ter­neh­men muss re­si­li­en­ter wer­den – von der Füh­rungs­spit­ze bis zum klein­tei­li­gen Pro­zess muss Fle­xi­bi­li­tät statt Stress bei un­vor­her­seh­ba­ren Er­eig­nis­sen das Ziel sein. 

Druck raus­neh­men und rich­tig kom­mu­ni­zie­ren

Auch wenn auf den Schul­tern der Ver­ant­wort­li­chen die Last schwer er­scheint: Es gilt, den Ein­druck zu ver­hin­dern, dass es schlicht um „Mehr­ar­beit“ geht, die von den Mit­ar­bei­ten­den ge­for­dert wird. Dazu ge­hö­ren um­fas­sen­de In­for­ma­tio­nen über den neuen Auf­ga­ben­be­reich sowie das Auf­zei­gen von Sinn und Vor­tei­len der Ver­än­de­run­gen, kom­bi­niert mit Schu­lungs­an­ge­bo­ten, die den Weg zu neuen Auf­ga­ben­be­rei­chen er­leich­tern und zur Ak­zep­tanz der neuen be­ruf­li­chen Iden­ti­tät füh­ren. Und vor allem ist eine of­fe­ne, trans­pa­ren­te Kom­mu­ni­ka­ti­on über die nächs­ten Schrit­te von emi­nen­ter Wich­tig­keit – ge­ra­de in der Krise. Dabei dür­fen drei we­sent­li­che In­for­ma­tio­nen in kei­ner Kom­mu­ni­ka­ti­on, in kei­ner An­spra­che feh­len:

  1. Was pas­siert ge­ra­de, mit wel­chen Fol­gen?
  2. Wie hat man be­reits re­agiert, also wel­che Maß­nah­men wur­den be­reits an­ge­fan­gen, sind ge­ra­de in der Um­set­zung?
  3. Wel­che Maß­nah­men, wel­che Schrit­te sind in der Pla­nung?


Denn das Schlimms­te für Men­schen ist die Un­ge­wiss­heit – dar­aus ent­steht Un­si­cher­heit. Wenn es Un­ter­neh­men schaf­fen, den Mit­ar­bei­ten­den klar­zu­ma­chen, was ge­ra­de pas­siert, wofür das Ganze gut und wich­tig ist, wie mit schwie­ri­gen Si­tua­tio­nen um­ge­gan­gen wird, gibt dies Ori­en­tie­rung. Die brau­chen wir.