Pforzheimer Zeitung Geld und Markt,
14.02.2019
Pforzheim. Eine junge Frau erscheint zum Vorstellungsgespräch. Was sind Ihre Stärken und Schwächen, fragt der gestandene Personaler. Diese pariert ganz forsch: Stärken hätte sie viele, Schwächen kaum.
Nicht ganz: Sie sei ungeduldig und schiebt, bevor ihr Gegenüber überhaupt Luft schnappen kann, gleich mehrere Gegenfragen nach: Wie sieht der Karriereplan im Unternehmen aus, nach drei Jahren möchte sie nämlich ein Sabbatical machen, Homeoffice sowieso. Und gibt es veganes Essen in der Kantine? Der Personaler ist perplex.
Beim Publikum des siebten Wirtschaftsforums Nordschwarzwald in den Räumen der IHK zum Thema „Generation Y und Führungskräfteentwicklung“ sorgt dieser Dialog dagegen eher für Heiterkeit. Er musste tief in die Klischee-Schublade greifen, räumt SWR-Moderator Uwe Bettendorf ein, der Eingangs diese Szene vorspielte. „Allerdings habe ich den einen oder anderen gesehen, der sich in der Charakterisierung der Generation Y erkannt hat.“
Eine Generation, die „wie eine Spezies vor gut fünf Jahren entdeckt und von Soziologen und Jugendforschern akribisch untersucht wurde“, so Bettendorf. Grob gesagt: Die Generation Y bezeichnet Jahrgänge zwischen 1980 und 1995, weil „sie einen gleichen Erfahrungshorizont“ aufweisen. Aufgewachsen mit Computern, Smartphones und Internet wird diese technikaffine Generation auch als „Digital Natives“ bezeichnet.
Sie seien dafür bekannt, althergebrachtes infrage und die Arbeitswelt auf den Kopf zu stellen. Außerdem setzen sie auf Nachhaltigkeit und Transparenz. Doch den Y-lern werden nicht nur positive Eigenschaften zugeschrieben. Eine klassische Karriere, wie sie ihre Vorgänger verfolgen, stehe bei ihnen nicht auf dem Plan. Eine Work-Life-Balance sei erstrebenswerter und flache Hierarchien eine Selbstverständlichkeit, fasst Bettendorf zusammen.
Wie sich die Generation Y in der Arbeitswelt bewährt, loten Karin Bacher, Geschäftsführerin von Karin Bacher Consulting & Coaching, Philipp Paschen, Geschäftsführer der Witzenmann GmbH und Marcel Ihle, Geschäftsführer von NewMediamix GmbH, bei der Podiumsdiskussion aus.
„Die Generation Y ist besser als ihr Ruf“, sagt Paschen. Überraschen kann diese den Verantwortlichen für Produktion, Digitalisierung und Geschäftsprozessmanagement nicht.
Bereits 35 Prozent der Mitarbeiter gehören der Generation Y an. „Unsere Aufgabe ist es dennoch, sicherzustellen, was diese Generation braucht. Klassische Anreize wie der Firmenwagen ziehen nicht mehr. Stichwort Employer Branding.“ Gemeint ist die Arbeitgebermarke.
Vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftemangels in Deutschland haben nämlich viele Firmen erkannt, dass es wichtig sei, sich gegenüber dem Wettbewerber Vorteile zu verschaffen. „Deshalb versuchen viele Unternehmen cool zu sein und setzen auf Paletten und Industrieoptik wie bei Start-ups“, sagt Paschen. Witzenmann mache da nicht mit. „Aber wir locken mit anderen Dingen.“ Bei der durchschnittlichen Führungskraft in Deutschland, die im Übrigen Thomas heißt und 54-Jahre alt ist, sorgen die Aussagen der Generation Y für Irritationen, sagt Management-Beraterin Bacher. „Ihr fehlt das Verständnis. Manche fühlen sich sogar angegriffen, wenn ein junger Mitarbeiter Arbeitsweisen hinterfragt.“
Das Y stehe nicht umsonst für „why“, englisch für „warum“, sagt Ihle. Als Vertreter der Generation Y stellt er klar: „Ich muss wissen, wofür ich etwas mache. Wenn ich es verstehe, bin ich gewillt, Vollgas zu geben.“
Doch das ständige Hinterfragen koste Zeit, meint Paschen. „Entscheidungen müssen schnell fallen.“ Und schon ist der erste Vorwurf nicht weit: Die Generation Y kann austeilen, einstecken dagegen weniger. „Sie wollen Feedback und gelobt werden, negative Kritik wird dagegen beleidigend aufgenommen“, so Paschen.„Was die Jungen nicht verstehen, ist, wie wichtig Leistung ist. Die Privilegien, die sie heute genießen, wurden von den früheren Generationen hart erarbeitet.“
Viele Berufsanfänger holen sich daher eine blutige Nase, sagt Bacher. Die Lösung heiße daher: Annäherung. Beide Generationen müssten lernen, miteinander zu reden. Schließlich stehe schon die nächste Generation vor der Arbeitsmarkttür, die teilweise schon in Ausbildung sei: die Z-ler. Sie sei so behütet aufgewachsen und auf Sicherheit bedacht, dass nicht die freie Wirtschaft sie reizt, sondern der öffentliche Dienst.