Es läutet, meine 22-jährige Mitarbeiterin schaut verzweifelt aufs Telefon, hilfesuchend wandert ihr Blick zur Kollegin. Diese tut so, als sehe sie es nicht. Später erzählt sie mir, dass sie sich ein Grinsen verkneifen musste. In unserem Einarbeitungsprogramm lernen alle, wie sie sich professionell melden und wie sie mit den üblichen Fragen umgehen. Außerdem haben wir sehr freundliche Kunden. Trotzdem: Jüngere Mitarbeitende haben immer häufiger die unbegründete Angst, sich im Gespräch zu blamieren oder nicht die passenden Worte zu finden. Diese Erfahrungen teilen wir mit denen unserer Kunden. Unsere Seminare zum Thema Kundenkommunikation sind bestens gebucht.
Alles, außer Telefonieren
Rund 90 Prozent der deutschen Jugendlichen besitzen ein Smartphone. Allerdings telefonieren sie kaum damit, sondern nutzen vor allem sogenannte stumme Kanäle wie Messenger oder WhatsApp. Hier können sie texten, also Textnachrichten versenden oder gut überlegte Sprachnachrichten hinterlassen sowie im Bedarfsfall das Ganze erst dann losschicken, wenn es aus ihrer Sicht perfekt ist. Diese Perfektion hat allerdings nichts mit korrekter Rechtschreibung oder Interpunktion zu tun, dafür mit vielen Abkürzungen und Emojis, den Älteren als Smileys bekannt. Aber dies ist ein anderes Thema …
Verblüfft beobachten wir Ü-Fünfziger, dass manche die Sprachnachrichten im Sekundentakt hin- und herschicken. Quasi wie in einem Gespräch, nur halt ohne direkte Ansprache. Das Unglaublichste bisher berichtete mir ein Abteilungsverantwortlicher, dessen Mitarbeiterin ihm eine lange empörte Nachricht auf seinen privaten WhatsApp-Account geschickt hatte, in dem sie ihm ausführlich erklärte, warum sie mit seinem Feedback nicht einverstanden gewesen sei. Sie sitzt im Nebenzimmer.
Unsicherheiten beseitigen durch Üben
Im unternehmerischen Umfeld gehen ständig Telefonanrufe ein – auch von Gesprächspartnern, die man nicht kennt. Eine Stresssituation für viele. Und gerade für Jugendliche stellt es eine Herausforderung dar, dass sie sich ihre Antworten nicht in Ruhe überlegen können, sondern zur direkten Reaktion gezwungen werden. Wenn sie dann nach Worten ringen, haben sie den Eindruck, einen wenig eloquenten Eindruck zu hinterlassen. Etwas, was die Selbstoptimierungsgeneration gar nicht mag und verunsichert. Und: Wie spreche ich Emojis? Was mit den Symbolen an Gefühlen ausgedrückt werden kann, soll jetzt in gesprochenen Worten wiedergegeben werden? Dies ist eine weitere Herausforderung, derer sich einige nicht bewusst sind, wenn sie wenig in direkten Kontakt zu Gesprächspartnern kommen.
Der jungen Kollegin half übrigens, dass wir geduldig mit ihr geübt haben und ihr ganz bewusst den Telefondienst übertragen haben. Damit machten wir uns zunächst nicht beliebt. Doch eines wollten wir nicht: dass sie die Gespräche dauerhaft verweigert und es ihr dann umso schwerer fällt, ans Telefon zu gehen. Oder dass sie womöglich eine Sozialphobie entwickelt aus lauter Angst, sich zu blamieren. Ebenfalls hilfreich war der Telefonleitfaden, der ihr Sicherheit gab. Mit der Zeit entwickelte sie Vertrauen zu dieser Kommunikationsform und es macht ihr nun Spaß, mit Geschäftspartnern am Telefon zu plaudern, selbst wenn sie diese noch nie live gesehen hat.
Bis heute muss ich jedoch immer wieder meine Mitarbeitenden – egal welchen Alters – motivieren, statt E-Mails zu schicken, das Telefon zu nehmen, um die Dinge im Team oder mit Externen eben mal schnell zu klären. Das verhindert Konflikte, spart Zeit und miteinander sprechen ist ein höchst sozialer Akt, der uns Menschen verbindet.