Unternehmen als „Nanny“?

Unternehmen als „Nanny“? 

Im „Harvard Business Manager“ war vor einigen Monaten die Rede von „Nanny Companies“, Unternehmen, die ihre Mitarbeiter übermäßig bemuttern – und damit auch übermäßig bevormunden? Der Autor Armin Trost beklagte „sieben Irrtümer über Mitarbeiterbindung“, die wir hier ausschnittsweise betrachten wollen, vor allem unter dem Gesichtspunkt eines erfolgreichen Employer Brandings. Denn letztlich geht es in dem Artikel um die Frage, wie ein Unternehmen Mitarbeiter in Zeiten allgemeinen Fachkräftemangels gewinnen und halten kann. 

Der Autor, Professor für Human Resource Management (HRM) an der Hochschule Furtwangen/Baden-Württemberg, nahm auch Bezug auf die als „Great Resignation“ bezeichnete Kündigungswelle, die sich gerade in US-Unternehmen ausbreitet und sich auch bereits in Deutschland bemerkbar macht. So ist die Wechselbereitschaft unter den deutschen Angestellten laut Xing/Forsa-Umfrage auf 37 Prozent gestiegen. Eine schon bedenkliche Größenordnung, wenn man die Kosten für ein Unternehmen in Betracht zieht, die das Mehrfache eines Jahresgehalts erreichen können im Falle einer freiwilligen Kündigung eines Mitarbeiters. Natürlich davon ausgehend, dass die vakante Position möglichst umgehend neu zu besetzen ist, was überwiegend der Fall sein dürfte.  

Die Mitarbeitenden sind keine Kunden 

Im Rahmen von Employer Branding Maßnahmen steht oft die „Employee Experience“ im Vordergrund, also die „Präferenzen der Mitarbeitenden differenziert zu verstehen, um ihnen gezielt ein Erleben zu vermitteln, das sie glücklich und loyal macht.“ Dazu fragt Trost: „Will man Mitarbeitende, die passiv auf ihrem Stuhl sitzen und Erwartungen an ihren Arbeitgeber adressieren? Führt dies nicht irgendwann zu einer verwöhnten Belegschaft? Oder will man vielmehr Mitarbeiter, die aktive Gestalter ihrer Arbeitsbedingungen sind?“ 

Dabei sieht der Autor es als wichtig an, dass das Unternehmen keine Weihnachtsmann-Funktion einnimmt, welches „väterlich oder mütterlich die Wünsche seiner Gefolgschaft erfüllt. Vielmehr geht es um Maßnahmen, die von vielen entwickelt, getragen und gemeinsam umgesetzt werden können. Es geht nicht darum, die Mitarbeitenden auf irgendeine Art und Weise mitzunehmen. Sie sollten aktive Akteure sein, die sich gegenseitig mitnehmen.“ Und daraus ergibt sich die zentrale Handlungsempfehlung des Autors, die unbedingt zu unterstreichen ist:  

  • „Übertragen Sie die Verantwortung für die Attraktivität der Arbeitswelt auf die Mitarbeiter selbst.“

 

Mitarbeitenden eine attraktive Arbeitswelt bieten 

Wie das mit praktikablen Möglichkeiten zu organisieren ist, um allen Raum für die gemeinsame Optimierung ihrer eigenen Arbeitswelt einzuräumen, muss im Einzelfall erarbeitet werden. Dazu der HRM-Professor Trost:Mitarbeiter erleben sich und die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit dann, wenn sie die Konsequenzen ihres Handelns und ihrer Entscheidungen unmittelbar erleben. Diese wechselseitige Verpflichtung gegenüber Kunden und Kollegen im Ringen um gute Lösungen schafft Zugehörigkeit.“ 

Woraus sich weitere, aus unserer Sicht wichtige Handlungsempfehlungen des Autors ergeben:  

  • „Betrachten Sie Ihre Mitarbeitenden als freie, selbstständige und vernünftige Wesen und versuchen Sie, mit individuellen Lebensentwürfen und -plänen offen und konstruktiv umzugehen. 
  • Stellen Sie Rahmenbedingungen her, die dazu beitragen, dass die Mitarbeiter im direkten Austausch mit Kollegen und Kunden die Konsequenzen ihres Handelns erleben.“

 

Unternehmen müssen Ursachen analysieren, nicht Symptome bekämpfen 

Die Gründe für eine freiwillige Kündigung können vielfältig sein: die Unternehmenskultur, der Unternehmenserfolg, die Führung der Mitarbeiter, die Arbeitsbedingungen, das Gehalt, die Entwicklungsperspektiven, die Kollegen… Viele dieser Faktoren hängen mit Fluktuation oder Loyalität zum Unternehmen zusammen. Doch wer auch immer kündigt, wird in einem anderen Unternehmen auf dieselben Faktoren treffen, jedoch eines bei einem Wechsel nicht mitnehmen können: die sozialen Kontakte, das unmittelbare soziales Umfeld. Deshalb stehen zwischenmenschliche Aspekte im Vordergrund der Mitarbeiterbindung, sie spielt sich im Kleinen, im unmittelbaren sozialen Kontext ab.  

Geld hilft immer? 

Mehr Gehalt oder auch sogenannte extrinsische Bindungsanreize wie Long Term Incentives (z.B. zinsfreie Darlehen für den Erwerb einer Immobilie in Standortnähe), die bei einer Kündigung wegfallen würden, haben sich langfristig nicht als ausreichend zugkräftig erweisen, um Mitarbeiter wirklich zu binden. Eher besteht die Gefahr eines Bleibezwangs und in der Folge nur zur inneren Kündigung, wobei Motivation und Kreativität längst verloren sind.  

Das Fazit könnte demnach lauten: Mitarbeitende weniger bemuttern und Incentives weglassen, die Menschen allein aus finanziellen Gründen ans Unternehmen zu binden versuchen. Mehr selbst gestalten lassen, satt „Purpose“ von oben anzubieten. Zu dieser Sicht trägt auch ein Blick auf die Ergebnisse der Glücksforschung bei: Es sind nicht nur die äußeren Bedingungen, die Menschen glücklich machen. Vielmehr ihre Überzeugung, dass sie selbst die Möglichkeit zum Handeln haben und etwas daran ändern können.  

Strukturen im Unternehmen aufzubauen, die Mitarbeitenden diese Überzeugung vermitteln und sie darin bestärken, ist nicht immer ganz leicht und funktioniert nicht über Nacht. Deshalb begleiten wir diesen Prozess mit unserer Expertise im Employer Branding. Mehr dazu hier.